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Biografisches Lernen geschieht zum einen in der Auseinandersetzung mit Biografien anderer «Fremdbiografien», wir betrachten fremdes gelebtes Leben und wir reflektieren darüber, setzen das Betrachtende mit eigenen Erleben vergleichend in Beziehung. Zum anderen setzt man sich beim biografischen Lernen gleichzeitig mit dem eigenen Leben auseinander und reflektiert sein Werden (biografische Selbstreflexion).
Ziele und Wirkungen biografisches Lernen
mit anderen
Wenn Menschen sich mit ihrer Biografie beschäftigen - sei es für sich alleine, sei es in einem Gruppenseminar, so kann dies ganz unterschiedliche Wirkungen haben:
1. Es fügen sich Fragmente eines Lebens zusammen, die bisher zusammenhanglos nebeneinander standen. Lebenseinschränkungen können angenommen und Verletzungen integriert werden. Wir werden Heilung erfahren - nicht im Sinne, dass alles wieder so ist wie zuvor, sondern dass das Geschehene akzeptiert und als Basis für die persönliche Weiterentwicklung «genutzt» werden kann.
2. Der Blick in die eigene, aber auch in fremde Biografien gibt Orientierung: Wie wurden bisher Entscheidungen getroffen, welche Werte waren wichtig? Wir erkennen so unsere bisherige Entwicklung, deren roten Faden und sind dadurch in der Lage, Sinn zu finden. Woran kann ich mich ausrichten, wenn Lebensweichen zu stellen sind? Menschen, denen es gelungen ist, nach Umbrüchen und besonderen Herausforderungen ihr Leben gut zu meistern, können als mögliches Leitbild fungieren. Wir alle haben in unserem Leben schon viel geleistet, ausgehalten oder losgelassen. Richtet man den Blick auf diese bestandene Herausforderungen im eigenen Leben, auch im Leben anderer, so kann ein Gefühl der Ermutigung die Folge sein.
3. Wer sich erinnert und die Erinnerung anderer Menschen hinzuzieht, wird Gemeinsamkeiten erkennen: Schicksale, die sich aus ähnlichen Lebenslagen oder geschichtlichen Einflüssen ergeben. Es wird erkennbar, wie Gesellschaft, Politik wie auch in der Erziehung, die vorgelebten Werte und der Glaube unser Leben beeinflussen. So kann ein gemeinschaftliches Bewusstsein entstehen, das sich im Alltag in der Begegnung, in Solidarisierung und gemeinsames Handeln zeigen kann.
4. Die eigenen Lebensaufgaben/Potenziale reflektieren, Entscheidungen treffen und vertreten, Netzwerke aufbauen und pflegen - selbstbewusstes biografisches Handeln bedarf einiger Kompetenzen.
In der Biografie - Arbeit können diese angeeignet und erprobt werden.
Letztlich können wir Menschen in der Biografie - Arbeit zur Lebensbejahung finden: Wir können "Ja" sagen zu dem, was war, ist und was noch kommen wird. Wir können auch Verständnis von Heilung mit der Arbeit an der eigenen Biografie finden. Heil - Sein hat viel mit Zustimmung und Akzeptanz zu tun; gesund ist, wer mit seiner Krankheit leben kann. Die heilende Wirkung besteht nicht darin, dass wir von Schmerzen und Einsamkeit befreit werden. Vielmehr bedeutet Heilung auch, Schmerz und Einsamkeit bejahen, teilen und verwandeln zu können. Heil - Sein meint in diesem Sinne, eine Verletzung, eine Kränkung, eine akut bestehende Lebenssituation akzeptieren; ja, ihr zustimmen zu können.

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